wo sind wir?
WIR SIND IN MOSKAU. 1881
dobrÄ poschalowat! Du stehst hier auf dem roten Platz. Mitten im Herzen von Moskau. Nirgends ist die Schneise von Arm und Reich so gross als hier. Gerade wurde der Kaiser Alexander III., Sohn von Alexander II., gekrönt. Eine neue Herrschaft bahnt sich an. Nicht alle wollen ihn auf dem Thron sehen.
der stadtrat
BOAZ ROMANOW & Maija Chairowa
Dir liegt eine Frage auf dem Herzen? Oder du weisst nicht weiter? Dann wende dich einfach an den Stadtrat von Moskau.
was sagt die zeit?
FRÜHLING. APRIL & MAI.

Der Frühling lässt sein blaues Band. Es ist Frühling in Moskau. Die Pflanzen erwachen wieder aus ihrer Winterruhe. Die Sonne bricht durch die Wolken hindurch. Die Temperaturen liegen am Tag bei 19º Grad in der Nacht sinken sie auf noch auf 2º Grad hinunter.

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Iwan Komarow

<blockquote> <font style="line-height:18px; font-size: 11px;"><p align="justify">
Vielleicht war es nicht die beste Idee gewesen, sich einfach wieder von seinem Baum herunterzulassen und die Verfolgung aufzunehmen. Zumindest war es wohl derjenige Einfall gewesen, der ihr den größten Schrecken einjagen würde. Und ob das so ratsam war, war eine für Iwan offene Frage. Womöglich aber würde bereits ihre Reaktion verraten, ob er mit seiner Vermutung richtig gelegen hatte. Denn die zierliche Gestalt, die sich schneller zu bewegen begann, als sie die Anwesenheit des blonden Russen bemerkte, wollte nicht wirklich zu dem Bild passen, das er sich von ihr gebastelt hatte. Vielleicht aber war es wie mit den meisten Mythen, die man sich erzählte. Es war nicht viel dahinter und verlorene Personen wurden einfach aus Prinzip und Respekt hoch gelobt und deren Verlust über alle Maße bedauert. Denn wie es aussah, hatte er lediglich einer wohlhabenden Dame einen Schrecken eingejagt, würde dafür womöglich sogar noch Konsequenzen zu spüren bekommen. Und das alles nur, weil ihn einmal die Neugierde gepackt hatte, nach all der Zeit. Andererseits würde das zu seinem bisherigen Leben passen, schließlich hatte er da so einiges miterlebt.

Als Iwan die Unbekannte direkt angesprochen hatte und innerlich bereits aufgegeben hatte, erstarrte sie zur Salzsäule. Der Händler tat es ihr gleich, wenn auch nur für einen kurzen Moment. Dieses Zögern musste etwas bedeuten, davon war er mehr als nur ein bisschen überzeugt. Und deswegen verfolgte Iwan nicht seinen vorherigen Plan, umzudrehen und den Nachhauseweg einzuschlagen, sondern bewegte sich mit langsamen Schritten weiter auf die Dame zu, ihre Silhouette dabei keinen Moment aus den Augen lassend. Da sich die Lage wieder verändert hatte, war Vorsicht wohl erneut angebracht; als ehemaliges bekanntes Rebellenmitglied kannte sie gewiss Arten, sich von unliebsamen Verfolgern zu befreien und würde nicht reagieren wie der Großteil der russischen Damenwelt, also flüchtend und schreiend. Oder aber mit stiller Begeisterung in ihren Augen, wenn sie ihn denn erst einmal genauer betrachtet hatten. Bei seiner momentanen Gesellschaft war jedoch hauptsächlich Überraschung zu erkennen, womöglich hatte sie ihn zuvor gesehen und nicht damit gerechnet, ihm schon so bald wieder über den Weg zu laufen. Vermutlich zog sie nun auch die falschen Schlüsse, fand eine unangenehmere Verbindung zwischen ihren beiden Treffen als die zutreffende. Ausnahmsweise könnte Iwan dies sogar verstehen, für gewöhnlich wurde man am helllichten Tag nur von wirklichen Verbrechern verfolgt. Auch der blonde Mann fiel wohl in diese Kategorie, sah es selbst jedoch ganz anders. Wenigstens aber antwortete ihm die Frau und bestätigte, dass er tatsächlich recht gehabt und sich nicht vollkommen zum Idioten gemacht hatte.

Kein schlechter Start, wie er fand; auch Sofja wandte sich ihm nun vollends zu und wirkte nicht mehr gar so verschreckt und überrumpelt. Zumindest schien sie ein kleines bisschen Selbstbewusstsein wieder gefunden zu haben, jedoch zu wenig, um sich von ihrem Kragen zu trennen, den sie krampfhaft wie einen Schutzschild umklammert hielt. Dieser Pelz würde sie auch gewiss zu verteidigen wissen, wenn sie an irgendwelche Halunken geriet. Während Iwan sein Gegenüber weiterhin betrachtete, unterlief auch er einer Musterung, wie sie zwischen Fremden eben so üblich war. Vor allem, wenn es ein offenkundiger Händler war, der wahllos allein umherstreifende Frauen mit aller Selbstverständlichkeit namentlich ansprach. Aber dieser kleine Vorteil auf Iwans Seite ließ sich leicht entfernen, er hätte dies auch ohne Sofjas Nachfragen getan. Immerhin steckte auch in ihm noch immer ein Funken der standesgemäßen Erziehung, die er in seiner Kindheit genossen hatte. "Mein Name ist Iwan Komarow... ich bin einer der ansässigen Händler." Mit dem Kopf deutete der blonde Russe eine kleine Verbeugung an; übertriebene Gesten schienen an Ort und Stelle unangebracht, vor allem da sie noch immer alleine in diesem Teil des Parks waren. "Falls ich Sie zuvor erschreckt habe mit meinem abrupten Auftauchen, möchte ich mich vielmals dafür entschuldigen." Doch es war eben nicht anders gegangen und sie hatte es ja offensichtlich gut überstanden. Auch wenn ihr Blick noch immer darauf schließen ließ, dass sie auf einen Degen, Dolch oder sonstiges Gerät wartete, dass er aus seinem Gewand zauberte und mit dem er ihr seinen Willen aufzwang oder aber gleich Gott übergab. Dabei waren dies ausnahmsweise alles andere als seine Pläne. </font></p></blockquote>

Sofja Perowskaja

Schon so oft war Sofja in diesem Park gewesen, dass sie alle erdenklichen Wege zu dem Treffpunkt kannte, den sie bei ihrem ersten Besuch hier mit ihrem Onkel abgemacht hatte. Meist wählte sie die Wege unbewusst, so auch heute. Manchmal sehnte sie sich danach, in der Menge unterzugehen, manchmal sehnte sie sich nach Einsamkeit. Heute wollte sie es offenbar einsam, denn ihr Weg führte sie zu dem kleinen See, der nur meist von wenigen Besuchern aufgesucht wurde. Obwohl kaum jemand hier unterwegs war, hatte Sofja den Mantelkragen hochgeschlagen. Ihr Vater hatte ihr diesen Mantel gekauft, mit teurem Pelz gefüttert. Irgendwann hatte ihr einmal jemand gesagt, welche Art von Fell das war, aber Sofja hatte es in dem Augenblick vergessen, als das Wort gefallen war. Wie früher interessierte sich die junge Frau nicht im Geringsten dafür, was sie trug. Eine Dienerin, deren Namen sie nie erfahren hatte, legte ihr immer heraus, was sie zu tragen hatte. So hatte sie auch heute nicht darüber nachgedacht, als sie den grauen, wollenen Unterrock mit dem passenden taubengrauen Kleid dazu anzog. Auch den schwarzen Mantel mit dem schon erwähnten Futter und passendem Hut hatte sie sich gleichgültig überstreifen lassen. Nun schmiegte sich der Pelzkragen an ihre Wangen, viel zu warm eigentlich, um ihn oben zu tragen. Offenbar war der Kragen auch eher dazu gedacht, ihn schön ausgebreitet auf den Schultern zu tragen, denn es gab keinen Knopf, der den Kragen oben halten konnte. So hielt Sofjas linke Hand den Kragen vorne fest, damit er nicht wieder herunterklappte. Es war ihr kleiner Schutzwall, eine kleine Hoffnung, dass man sie so nicht erkennen würde. Auch wenn hier so gut wie keiner mehr war, wie ihr auffiel.

Gerade wollte sie den Kragen loslassen, als sie hinter sich Schritte vernahm. Sie widerstand der Versuchung, sich einfach umzudrehen oder gar loszurennen. <i>Bestimmt ist es nur jemand, der es eilig hat</i>, versuchte sie sich zu überzeugen. Und dennoch konnte sie nicht verhindern, dass ihr Atem schneller ging und sie leicht panisch wurde. Gerade beschloss sie, doch lieber etwas schneller zu gehen, als sie eine männliche Stimme hörte. <i>“Seid Ihr Sofja Perowskaja?“</i>. Sofja erstarrte, mitten in ihrem nächsten Schritt. Wie oft hatte sie gefürchtet, diese Frage zu hören? In Adelskreisen wusste man, wer sie war, man brauchte nicht erst zu fragen. Also war der Fragende offenbar niemand, den ihr Vater kennen würde. Und auch wenn sie den Bekanntenkreis ihres Vaters verabscheute, machte ihr diese Erkenntnis nun Angst. Denn das bedeutete, es war jemand aus dem Volk. Was sollte sie tun? Sofja dachte daran, was sie früher getan hätte. Sie hätte sich umgedreht, den Kragen fallen lassen und etwas stolz und trotzig das Kinn in die Höhe gereckt, ehe sie die Frage bejaht hätte. Aber das war eine andere Sofja Perowskaja gewesen, mit der sie kaum mehr etwas gemeinsam hatte. Am liebsten würde sie jetzt weglaufen. Doch mit ziemlicher Sicherheit würde sie nicht weitkommen, wenn der Mann hinter ihr sich in den Kopf gesetzt hatte, ihr zu folgen.

Langsam und vorsichtig drehte sie sich um, allerdings nur halb. Den Kragen hielt sie weiterhin in ihrer Hand, die Finger verkrampften sich um den Stoff, sodass sie Knöchel weiß hervortraten. Aus den Augenwinkeln sah sie nun die Person, die sie verfolgt hatte. Es war der junge Mann von vorhin! Überrascht und verwirrt verharrte sie in ihrer Bewegung, blieb ihm halb zugewandt stehen. Sie räusperte sich leise und beschloss, die Sekunden der Stille nach seiner Frage endlich zu brechen. „Das lässt sich wohl nicht leugnen“, sagte sie mit recht fester Stimme, worauf sie ein kleines bisschen stolz war. Und vermutlich brach sich deshalb ein Funken ihres alten Ichs wieder Bahn, der sie dazu brachte, sich nun ganz zu dem jungen Mann umzudrehen. Den Kragen des Stoffs allerdings hielt sie weiter umklammert, als könnte dieses nutzlose Stück Fell sie schützen. Kurz, etwas hastig, musterte sie ihr Gegenüber, was sie davon überzeugte, dass er kein Adliger war, sich zumindest nicht so kleidete. Er sah aber auch nicht gerade aggressiv aus, in seiner Stimme hatte auch eher Neugier mitgeschwunden. Sofja zwang sich, ihr Kinn nun tatsächlich etwas nach oben zu recken. Diese Bewegung, die früher so herrlich souverän ausgesehen hatte, ließ nun umso mehr ihre Unsicherheit erkennen. „Und Ihr seid?“ fragte sie, auch wenn es sie jetzt eigentlich viel mehr interessierte, weshalb dieser Mann sie ansprach. Aber sie fürchtete, dass ihr seine Beweggründe nicht gefallen würden. Deshalb hatte sie diese etwas unverfänglichere Frage gewählt, zumindest hoffte sie das. Wenn er nun ein Verwandter ihrer einstigen Mitverschwörer war? Sofjas Herz begann zu rasen, während sie den jungen Mann mit flackerndem Blick ansah.

Iwan Komarow

<blockquote> <font style="line-height:18px; font-size: 11px;"><p align="justify">Wie so oft auf seinen Spaziergängen hatte Iwan die gleiche Route eingeschlagen, beschritt sie mit dem gleichen energischen Schritt wie immer. Und befand sich ebenso bereits am Ufer jenes Sees, dessen Ruhe er herbeisehnte, obwohl er den größten Teil der Menschenmassen bereits hinter sich gelassen hatte und die Gruppen um ihn herum kleiner und spärlicher gesät wurden. Die meisten Besucher des Parks waren eben doch weniger auf erholsame Spaziergänge als auf aufschlussreiche Gespräche aus, in denen sie wieder den neuesten Klatsch und Tratsch erfahren würden. So sehr er über dieses Verhalten auch den Kopf schütteln konnte, so sehr war er doch auch darauf angewiesen. Wenn es etwas interessantes gab, würden das Gerücht oder die Information eher früher als später ihren Weg in die Schenke und dadurch auch rasch zu ihm finden. Mit ein wenig Glück waren dann auch Bruchstücke dabei, die für Iwan von Vorteil waren und die er mit den Krähen teilen konnte. Auch wenn es hiervon in letzter Zeit bedauernswert wenige Fundstücke gegeben hatte, die Moskauer Gesellschaft schien sich noch im Winterschlaf zu befinden. Allerdings kam jetzt bald die wärmere Jahreszeit, dadurch verlagerten sich verbotene Treffen an vermeintlich abgeschiedene Orte, die dann jedoch trotzdem beobachtet wurden. Dadurch konnte dann Eifersucht an den richtigen Stellen geschürt werden oder aber ganz andere Vorteile erlangt. Es war eine Vorgehensweise, die vermutlich viele verurteilten, doch Iwan hatte sich daran gewöhnt und bislang keine bessere oder effektivere gefunden, weshalb er der momentanen auch ganz sicher treu bleiben würde.

Ebenso wie seinen Ausflügen in die Natur und all seinen Vorhaben und Meinungen, wie oberflächlich getroffen sie auch sein mochten. Er war schließlich nicht der Einzige, der nicht alles aufs Genaueste nachprüfte und sich vom Wahrheitsgehalt jeder noch so kleinen Sache überzeugte; dies war einer der wenigen Punkte, in dem er sich gerne im großen Strom der Masse versteckte. Der einzige Unterschied war, dass er sein Köpfchen anstrengte und zu hinterfragen begann, wann etwas falsch aussah oder sich so anfühlte; er und die Angehörigen seines Bekanntenkreises. Leider schien sich dieser in letzter Zeit jedoch zu verkleinern oder aber zumindest in seiner Zahl zu stagnieren; ein Umstand, an dem sie dringend etwas ändern mussten, wenn sie nicht im Gesamten stillstehen wollten. Das Kopfzerbrechen deswegen wollte er jedoch ausnahmsweise aufschieben, lieber etwas unternehmen, das er schon seit langer Zeit nicht mehr gemacht hatte. Mehrmals wandte Iwan sich um und beobachtete die menschenleere Umgebung, um sich von seiner Einsamkeit zu überzeugen, ehe er sich einem geeigneten Baum am Rande des Weges näherte und an diesem hinaufkletterte. Es war nicht allzu weit und doch anstrengender, als der blonde Russe es im Gedächtnis behalten hatte. Vielleicht aber lag es daran, dass seine Kindertage nun mittlerweile doch auch schon beinahe zwei Jahrzehnte zurücklagen, wie er immer wieder mit Schrecken feststellte.

Während Iwan es sich auch weiterhin auf seinem Ast gemütlich machte, wanderten seine Gedanken erneut zu der Frau, die er zuvor beobachtet hatte und die seinen Blick mehr erstaunt als sonst irgendwie aufgefangen hatte, ehe er verschwunden war. Halb ärgerte sich Iwan darüber, nicht doch auf sie zugegangen zu sein, halb verfluchte er die Begleitung die sich neben ihr befunden hatte; gerne hätte er mit ihr gesprochen. Doch das Schicksal schien ihm ausnahmsweise gnädig gesinnt zu sein, denn genau sie schritt gerade an ihm vorbei. Iwan überlegte nicht lange und schwang sich wieder von seinem Baum hinunter und somit aus seinem kleinen 'Versteck' hinaus, ehe er sich mit weit ausholenden Schritten auf die Verfolgung der jungen Frau machte und sie schließlich einholte. "Seid Ihr Sofja Perowskaja?" Mehr Neugierde als Iwan es beabsichtigt hatte lag in seiner Stimme. Doch es war ausnahmsweise einmal ein Detail, das ihn wirklich interessierte. Immerhin erzählte man sich einiges über diese bestimmte Frau und der blonde Russe hatte wohl bisher über keine andere Dame derartig viel nachgedacht. Dies lag vermutlich unter anderem daran, dass sie zu den wenigen Menschen gehörte, die in etwa mit ihm auf einer Wellenlinie liegen mussten. Sie hatte viel für die Revolutionäre getan, wenn man den Geschichten Glauben schenken durfte, und ihr Verschwinden hatte für beinahe ebenso viele neue Gerüchte und Legenden Stoff hergegeben. So viel er jedoch auch über Sofja bereits gehört hatte, nie war es ihm vergönnt gewesen sie persönlich zu treffen; sie mussten sich knapp verpasst gehabt haben innerhalb der Gruppe der Aufständischen. Auch wenn Iwan darauf hoffte, sie nun wahrhaftig vor sich zu haben, versuchte er die Vorfreude so gering wie möglich zu halten. Schließlich bestand noch immer die Chance, dass sich sein Gedächtnis geirrt hatte und er einfach eine wildfremde unschuldige Frau erst erschreckt und dann angesprochen hatte. Zumindest ersteres würde wohl in jedem Fall zutreffen, doch er hatte nicht widerstehen können. Außerdem gab es auch im Fall des Falles, dass er an die richtige Person geraten war, noch immer den Umstand, dass besagte Sofja einfach verschwunden war, anscheinend wieder zurück in geschützte und gut situierte Kreise. Eine Flucht, die Iwan weder verstehen noch gutheißen konnte und selbst wohl niemals antreten würde.</font></p></blockquote>

Sofja Perowskaja

An diesem Tag im April war es hier in Moskau wärmer als gewohnt. Und dies war offenbar mindestens der Hälfte der Moskauer Bevölkerung klar geworden, denn sie bevölkerten in Massen die Straßen der Stadt – und auch den Park Fili war davon betroffen. Sofja hatte schon auf dem Weg hierher mit der Kutsche ihres Vaters viel länger gebraucht als sonst. Immer wieder waren sie von einer kleinen oder großen Menschenmenge auf den Straßen aufgehalten worden, manchmal regelrecht stecken geblieben. Die junge Russin hatte es vermieden, nach draußen zu sehen um herauszufinden, was genau vor sich ging. Immer, wenn sie durch die Stadt fuhr, lehnte sie sich soweit wie möglich in die Kissen der samtenen Sitzbank zurück und zog die Vorhänge zurück, um ja nicht von draußen erkannt zu werden. Dabei bezweifelte sie, dass jemand sie so, wie sie jetzt aussah, wirklich erkennen würde. Doch gerade in den ärmeren Vierteln der Stadt wohnten sicher noch einige ihrer alten Weggefährten, die sie sehr gut kannten. Natürlich war die Wahrscheinlichkeit gering, aber Sofja hatte dennoch Angst davor, einem der Revolutionäre zu begegnen. Was, wenn sie ihr Vorwürfe machen würden? Sofja könnte es ihnen nicht verdenken. Ihr früheres Ich hätte das garantiert getan, wenn sie einen früheren Mitrevolutionär in feinen, aristokratischen Kleidern in einer prunkvollen Kutsche hätte vorbeifahren sehen. Sie und Andrej, ihr einstiger Geliebter, hätten nichts als Verachtung für einen solchen Verräter übrig gehabt.

Ihr Begleiter war allerdings weit weniger zurückhaltend gewesen als sie. Kaum war die Kutsche ins Stocken geraten, hatte er sich aus dem Fenster gelehnt und hatte die Leute draußen angeschrien, sie sollten die Straße freimachen. Fjodor Ruschkow war unter seinesgleichen ein wirklich netter Zeitgenosse, doch der Unterschicht gegenüber wurde er schnell cholerisch und konnte äußerst ungeduldig sein. Dennoch mochte ihn Sofja im Grunde, zumindest war er einer, dessen Anwesenheit sie relativ gut ertragen konnte, Er behandelte sie nicht von oben herab oder besonders, übertrieben höflich. Fjodor war beinahe 60 Jahre alt und ein entfernter Onkel Sofjas, der nicht vorgab, ihre Vergangenheit vergessen zu haben. Deshalb gab es eine gewisse Distanz zwischen den beiden, aber Fjodor gab ihr dennoch immer wieder das Gefühl, dass er sie nicht für eine zurückgebliebene, verrückte Frau hielt. Vielmehr hielt er sie für überaus intelligent, ohne darin sofort Gefahren zu erkennen – höchstens eine Gefahr für Sofja selbst, denn Fjodor erkannte durchaus, dass ihr Geisteszustand viel mehr mit Zerrissenheit als mit Verrücktheit zu tun hatte. Das allerdings war Sofja nicht bewusst, sie spürte lediglich, dass ihr Onkel auf eine angenehme Art einfühlsamer war als die anderen. Und er war unbedachter, was ihr sehr entgegen kam. Einmal in der Woche holte Fjodor Sofja ab, um mit ihr einen Spaziergang im Park Fili zu machen. Dabei ließ er ihr durchaus auch einmal einige, wenn auch sehr eingeschränkte Freiheiten. Schließlich ging Fjodor vor allem deshalb in den Park, um sich mit einer gewissen Gräfin zu treffen, die mit einem Tyrannen verheiratet war und die er schon seit seiner Jugend liebte. Es gab also ein stillschweigendes Abkommen zwischen den beiden: sie bekam etwas Zeit für sich, er etwas Zeit für seine Gräfin, und niemand musste davon erfahren.

Sofja genoss diese Zeit für sich eigentlich, doch heute würde sie wohl nur wenig Ruhe finden. Dennoch, sie könnte vielleicht eine halbe Stunde ihrer ständigen Aufsicht entfliehen, allein das war verlockend. Kurz bevor sie mit Fjodor die alte Eiche erreichten, an der sie sich für gewöhnlich trennten, bemerkte sie, wie jemand sie musterte. Diese Fähigkeit hatte sie früher schon besessen, hatte Blicke in ihrem Rücken immer früh gespürt. Heutzutage waren sie keine Seltenheit, meistens gingen sie mit einem unangenehmen Tuscheln einher. Sofja zwang sich dazu, sich nicht umzudrehen, sondern blickte stur geradeaus. Doch dieses Mal war der Beobachter hartnäckiger als sonst, so dass sie schließlich dem Drang nachgab und drehte den Kopf leicht zur Seite. Schnell entdeckte sie den jungen Mann, nicht weit von ihr entfernt, der ihr ein Lächeln zuwarf und sich dann abwandte. Verwirrt sah sie ihm hinterher. Wer war das gewesen? Seiner Kleidung nach zu urteilen war er definitiv keiner der russischen Adelsgesellschaft, sondern ein Mann aus dem Volk. Vielleicht so alt wie sie, vermutlich ein bisschen jünger. Warum hatte er ihr zugelächelt? War er etwa jemand, den sie von früher kannte? Sofja glaubte es kaum, denn ihr Personengedächtnis war eigentlich exzellent. Aber sicher war sie sich nicht, denn er schien sie ja offenbar zu kennen und sie nicht gerade negativ im Gedächtnis zu haben. Also wer war er? Fjodor riss sie aus den Gedanken, denn sie waren an der Eiche angelangt. Mit einem flüchtigen Kuss und der Ermahnung, dass er sie unten am Ufer der Moskwa wie immer finden wollte, verabschiedete er sich von ihr. Sie blieb, anders als sonst, kurz an der Eiche stehen und blickte sich um. Sie sah den jungen Mann nicht mehr. Vermutlich war es besser so, sicher war es das. Sofja gab sich einen Ruck, ging los und schlug dabei unbewusst den Weg ein, auf dem der Unbekannte verschwunden war.

Iwan Komarow you cannot change who you are

You cannot change who you are

Sofja & Iwan # 22. April # Nachmittags


<blockquote> <font style="line-height:18px; font-size: 11px;"><p align="justify">
Eigentlich war Iwan davon ausgegangen, dass es ein Tag wie jeder andere werden würde. Einfach ein Nachmittag, an dem er sich für eine halbe oder gar auch ganze Stunde durch die Natur genoss und auch allein sein konnte, ohne jemanden um sich herum zu haben. Und zumindest die zweite Hoffnung des jungen Mannes war schon zu Beginn seines Spazierganges zerstört worden. So ziemlich jeder Einwohner Moskaus schien den gleichen Gedanken wie er selbst gehabt zu haben und der Park war angefüllt mit Gruppen verschiedenster Größe und auch verschiedenster Zugehörigkeit. Vor allem der Adel war vertreten wie es aussah, und dies entlockte Iwan ein kaum hörbares Seufzen, begleitet von einem Verdrehen seiner Augen. Das Abschalten würde ihm wohl schwerer fallen, als zu Beginn noch gedacht. Vielleicht hatte er ja Glück und würde am anderen Ende des Parks ein wenig mehr Freiheit haben, das Gedränge hier schien ihm eben jene zu nehmen, auch wenn der blonde Russe ansonsten nicht ochlophobisch veranlagt war.

Ein Umstand, der ihm zugute kam, musste er doch mitten durch die Menschenmenge gehen, wenn er sein Ziel erreichen wollte. Immer wieder glitt sein Blick hierbei über die Personen, an denen er sich vorbeibewegte, konnte jedoch kaum jemanden erkennen, den er als Bekannten bezeichnen konnte. Und falls es doch der Fall war, so handelte es sich um Bekanntschaften, die Iwan keineswegs vertiefen wollte, da sie kaum positive Erinnerungen in ihm weckten. Bei manchen war es sogar besser, wenn er nicht erkannt wurde, wenn er unnötigem Ärger aus dem Weg gehen wollte. Mit einem Mal jedoch, als er die Gruppe beinahe hinter sich gelassen hatte, blieb sein Blick an einer Person haften. Es war eine junge Frau, mit einem Beschützer an ihrer Seite. Oder war es ihr Ehemann? Iwan konnte es nicht erkennen und er kümmerte sich auch nicht sonderlich um die genaue Beziehung zwischen den beiden, ihn interessierte lediglich die Frau. Irgendwo hatte er sie bereits gesehen, ihr Gesicht kam ihr vertraut vor. Es blieb lediglich die Frage zu beantworten, woher genau.

Auf jeden Fall musste es eine wichtige Erinnerung sein, die Iwan aus seinem Gedächtnis hervorzukramen suchte. Er hielt sich schließlich nicht mit den Gedanken an irgendwelche flüchtige Bekanntschaften von irgendwelchen unwichtigen Ereignissen auf, auch in seinem Geschäft war sie bislang noch nie gewesen. Gerade als selbst dem jungen Blonden auffiel, dass seine Blicke bereits in ein wohl mehr als auffälliges Starren übergegangen waren, das wohl kaum mehr als angebracht bezeichnet werden konnte, konnte er das Gesicht der jungen Frau einem Namen zuordnen. Es war niemand geringeres als Sofja Perowskaja, die einst mit den Rebellen verbunden gewesen war, ehe ihre Gesinnungen aufgeflogen waren. Und er konnte sich vorstellen, wie ihr Leben danach ausgesehen hatte; vermutlich gänzlich anders, als sie es sich vorgestellt hatte. Warum sie jetzt wohl hier war, wie ihre Zukunft nun aussah? Es waren Fragen, die den jungen Mann wahrhaftig interessierten, doch er würde wohl kaum Antworten darauf bekommen. Und so war es ein letzter Blick auf Sofja, begleitet von einem seiner seltenen kleinen Lächeln, den er ihr zuwarf, ehe er sich abwandte und sich wieder seinem eigentlichen Ziel nähern wollte. </font></p></blockquote>


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